Wohneigentum ist ein Käufermarkt

Die Vitalität des Immobilienmarktes, genauer des Handels mit Wohnliegenschaften, ist augenfällig. Volle Anzeigenspalten, überquellende Internet-Sites und Verkaufsschilder an allen Strassen. Die professionellen Marktbeobachter Wüest & Partner bestätigen diesen Eindruck für die gesamte Schweiz. Im vergangenen Jahr wurde jede zwanzigste Eigentumswohnung auf dem Markt angeboten. Das ist mehr als im Mietwohnungsmarkt.

Interessenten für Wohneigentum können aus einem riesigen Angebot auswählen. Der Grund dafür liegt einerseits in der sehr hohen Wohnungsproduktion der vergangenen Jahre. Pro Jahr werden schweizweit rund 17 000 neue Eigentumswohnungen gebaut. Nach 40 jährigem Bestehen der gesetzlichen Grundlage für das Stockwerkeigentum kommen nun auch immer mehr bestehende Eigentumswohnungen in zweite oder dritte Hand. Und schliesslich verändert sich die Mobilität der Gesellschaft, indem häufiger Stellen und damit nicht selten auch Wohnorte gewechselt werden. Nur Handänderungs- und Grundstückgewinnsteuern hindern allenfalls noch daran, Wohneigentum auch nach kurzer Verweildauer wieder zu verkaufen.

Durch diese Marktentwicklung sind die Verkäufer von Wohneigentum besonders gefordert. Sie müssen ihr Angebot bekannt machen – gemeinhin Werbung betreiben –, um die Aufmerksamkeit einer potenziellen Käuferschaft zu erregen. Was am Konsummarkt selbstverständlich ist, wird im Immobilienverkauf allerdings noch viel zu oft vernachlässigt: die käufergerechte Präsentation des Objektes. Ein handgeschriebenes Schild an der Strasse oder eine Kleinstanzeige vermögen dies nicht. Unter Umständen setzen sie das Objekt sogar herab.

Professionalisierung im Verkauf

Im Immobilienverkauf zeichnet sich aufgrund des kompetitiven Marktes ein Trend zur Professionalisierung der Verkaufsaktivitäten ab. Das rührt vor allem daher, dass neue Überbauungen mit zahlreichen Wohneinheiten ohne professionelles Marketing nicht an den Mann oder an die Frau gebracht werden können. Ein rascher Verkauf – möglichst bereits vor Baubeginn oder Fertigstellung – ist für den vorinvestierenden Unternehmer gewinnentscheidend. Die Professionalisierung im Wohnungsneubau setzt die meist privaten Verkäufer von älteren Liegenschaften unter Zugzwang. Sie müssen aber nicht nur Verkaufsaktivitäten unternehmen, sie müssen zuerst vor allem den richtigen Preis für ihre Liegenschaft identifizieren. Hier beginnt sich glücklicherweise die Überzeugung durchzusetzen, dass der Beizug eines professionellen Immobilienmaklers oder –schätzers aufdrängt, um einerseits die richtigen Verkaufsargumente, anderseits den fairen Preis und wasserdichte Verträge aufzubereiten.

Ein zweiter Trend im Immobilienverkauf geht in Richtung Netzwerke. Seit jüngerer Zeit überziehen nach angelsächsischem Muster aufgezogene engmaschige Franchisingsysteme das Land. Gleichsam bestehen verschiedene seit Jahren etablierte Netzwerke mit einem hohen Anspruch an Professionalität und Schweizer Zuschnitt. Die Vorteile des Beizugs eines professionellen Maklers mit einem Leistungsausweis sind naheliegend. Verkäufer profitieren von der Fokussierung auf den Immobilienverkauf – viele unabhängige Kleistanbieter haben ihr Standbein demgegenüber in der Immobilienbewirtschaftung –, von vielfältigen Synergien, von der Verkaufsdokumentation über gemeinsame Immobilieninserate bis hin zum Internet und schliesslich vom Zugang zu einem grösseren Interessentenkreis.

Aufgestaute Erneuerung

Ein dritter Trend geht dahin, dass bestehende Liegenschaften durch die hohe Neuproduktion vermehrt unter Preisdruck kommen. Sie weisen teilweise einen hohen aufgestauten Investitionbedarf auf, indem seit der Erbauung kaum mehr als Pinselerneuerungen vollzogen wurden. Demgegenüber haben sich die Bedürfnisse der potenziellen Käufer verändert, die Technologie (Heizung, Fenster, Isolation, Haustechnik usw.) hat sich weiterentwickelt. Abgesehen von den vergebenen steuerlichen Abzugsmöglichkeiten des Liegenschaftsunterhalts unterliegt die bestehende Liegenschaft ohne regelmässige Erneuerung einer Entwertung, die sich der Verkäufer anrechnen lassen muss. Glücklich ist, wessen Grundstück aufgrund einer bevorzugten Lage in der Zeit seit der Erbauung eine Aufwertung erlebt hat.

*Robert Mazenauer ist eidg. dipl. Immobilientreuhänder Schätzungsexperte SEK/SVIT und Mitglied der Geschäftsleitung der Hugo Steiner AG, Immobilientreuhand, St. Gallen