Erbvorbezug: Konfliktpotenzial unter Kindern

Die Eltern von Nina und Raffaela ziehen in eine Altersresidenz. Ihr Einfamilienhaus geben sie der Tochter Raffaela als Erbvorbezug weiter, da diese mit ihrer fünfköpfigen Familie die Liegenschaft besser gebrauchen kann als ihre Schwester Nina. Weil Nina gerade in einem finanziellen Engpass steckt, fragt sie sich, ob sie nun nicht auch Anspruch auf einen Erbvorbezug geltend machen könnte? Die Antwort ist klar: Nein, das kann sie nicht.

Zwar gilt laut Gesetz, dass Kinder – sofern nichts anderes geregelt ist – immer zu gleichen Teilen erben sollen. Und deshalb gibt es auch die sogenannte Ausgleichspflicht unter den Nachkommen. Aber: Ausgeglichen werden muss ein Erbe erst nach dem Tod der Eltern. Und deshalb hat im obigen Beispiel Nina auch keinen gesetzlichen Anspruch auf ein Vorerbe. Um Konflikten unter den Geschwistern zu vermeiden, wäre es die einfachste Lösung, wenn die Eltern das Vorerbe an Raffaela mit einer gleichzeitigen Auszahlung an Nina ausgleichen würden. Die Frage ist, ob sie dafür über genügend Kapital verfügen. So oder so sollten einige Punkte in einem Erbvertrag geregelt werden: Etwa, welcher Wert für die Liegenschaft eingesetzt oder wie mit einem eventuellen späteren Verkaufsgewinn umgegangen wird. Hierfür lohnt es sich, einen Experten beizuziehen.

Wird keine vorgezogene Ausgleichszahlung gemacht und auch sonst nichts weiter geregelt, dann rechnet man bei der Erbteilung nach dem Tod der Eltern die Liegenschaft von Raffaela zum aktuellen Verkehrswert dem Erbe zu – also nicht zum Wert zum Zeitpunkt des Vorerbes. Eine allfällige Wertsteigerung der Immobilie kommt so also auch Nina zugute. Zu hoffen ist, dass Raffaela dann über genügend eigenes Kapital verfügt, um ihre Schwester auszuzahlen. Denn sonst müsste sie schlimmstenfalls die Liegenschaft verkaufen.